Seit der Bundestagswahl streitet DIE LINKE über Migration und Flucht. Dabei wird derweil ein Mitgliederentscheid vorangetrieben, der das Potential hat, die Partei tatsächlich zu spalten: Der zum emanzipatorischen bedingungslosen Grundeinkommen; kurz BGE.
Dabei ist ein BGE genau das Gegenteil von emanzipatorisch, denn es beschreibt die totale Abhängigkeit. Man ruft das Recht aus, nichts zu tun und damit weiter abgehängt zu bleiben bzw. zu werden, und dabei ignoriert man gleichzeitig den grundsätzlichen Wert, den Arbeit für Menschen hat. Wenn dann im Aufruf von der „Befriedigung der Grundbedürfnisse aller“ die Rede ist, fragt man sich nicht nur bei den Berliner Mieten, ob diese tatsächlich mit dem BGE befriedigt werden. Wer definiert die Grundbedürfnisse über „wohnen“ hinaus? Aldi, Penny oder die Bio Company? Was ist mit Stadt und Land und den dort jeweils vorherrschenden – nicht nur finanziellen – Bedürfnissen?
Auch kein Zufall ist, dass selbst einige Arbeitgeber zu den Befürwortern eines BGE gehören. Denn gibt es erst ein steuerfinanziertes BGE, gehören sämtliche Sozialleistungen der Geschichte an. Damit endet die paritätische Finanzierung. Tarifverträge werden genauso überflüssig, wie Mindestlöhne. Die BGE-Befürworter spielen exakt auf der gleichen Klaviatur die Melodie der Digitalisierung, mit der auch Arbeitgeber ihre Droh-Szenarien komponieren: Wegen der Digitalisierung geht uns die Arbeit aus und die Wertschöpfung endet. Statt für eine Umverteilung von Arbeit zu werben, spielt man ebenso mit der Angst vor Arbeitsplatzverlust? Klar, so ließen sich doch bereits Lohnverlust und schlechtere Arbeitsbedingungen leichter akzeptieren – warum sollte das nicht auch beim BGE klappen?
Dabei können wir uns längst einen starken Sozialstaat leisten. Man muss sich trauen, zu dessen Finanzierung auch Reiche und Vermögende heranzuziehen. Wer viel hat, zahlt mehr ein und wer wenig hat, halt weniger – in einen Topf. Gerecht wäre eine solidarische Bürgerversicherung, die alle mit einbezieht. Gerecht wäre eine soziale Mindestsicherung, die im Gegensatz zu Hartz IV bedarfsgerecht, armutsfest und repressionsfrei ist. Und zusammen mit den Gewerkschaften kämpfen wir für eine Umverteilung von Arbeit. Für eine kurze Vollzeit. Für unbefristete, mitbestimmte Arbeit und anständige Löhne auf der Basis von Tarifverträgen.
Gemeinsam mit der „Sozialistischen Linken“ und Weiteren haben wir auf dem letzten Parteitag einen Antrag eingebracht, in dem wir unsere Vision einer gerechten (Arbeits-)Welt für morgen skizzieren. Unsere Kernaufgabe besteht darin, zu einer Veränderung der gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse beizutragen, um eine solidarische Umgestaltung unserer Gesellschaft und eine linke demokratische, soziale, ökologische und friedliche Politik durchzusetzen. Für andere Macht- und Eigentumsverhältnisse braucht es die Solidarität aller Lohnabhängigen – Kernbelegschaften, Erwerbslose und prekär Beschäftigte. Deren gemeinsame Interessen gilt es zu betonen. Für die Entstehung und Durchsetzung von Klassenmacht sind gewerkschaftliche und politische Organisationen erforderlich, in denen diese gemeinsame Interessen formuliert und Kämpfe zu ihrer Durchsetzung geführt werden. Es ist Aufgabe der Partei DIE LINKE, diesen Prozess bewusst und aktiv zu fördern.
von Jan Richter, Bundessprecher der AG Betrieb & Gewerkschaft